Der Fluss ist oft verbindendes Element und der Schlüssel zur richtigen Auslegung der geschichtlichen, wirtschaftlichen, künstlerischen und technischen Ereignisse, der Berufungen und Einflüsse der Gebiete, die er von der Quelle bis zum Meer durchfließt.
Das Wasser, das besondere Wasser jeden Flusses, ist der wahre Protagonist des täglichen Lebens: Wasserreserve, wirtschaftliche Ressource, Existenzgrundlage und Einkommensquelle, unentbehrlich bei der täglichen Arbeit, notwendig zur Verteidigung und wichtiger Verbindungsweg. Aber auch die Farbe des Flusses, seine Geräusche, die Wassertemperatur, seine Strömungsgeschwindigkeit, das Klima, das er bewirkt, spiegeln sich in der Außenwelt wider, die ihn umgibt. Der Fluss ist Vater, Mutter, Bruder, Leben, Tod, Strafe - ein Gott. Und ist auch: Stimme, Botschafter, Nuntius, Omen. Menschen, die an Flussufern leben, sind sich überall ähnlich in ihrer Art zu fühlen, an welchem Ort auch immer sie leben und unabhängig von dem Zivilisationsgrad, den sie erreicht haben. Jeder Fluss bringt ein Schicksal mit sich, das ins Wasser geschrieben ist. Man muß mit einem Flussmenschen reden, einem Menschen, der in der Nähe eines wenn auch kleinen Stroms lebt, um zu verstehen, wie sehr seine Geschichte und die des Flusses ineinandergreifen und der Fluss in ihm lebt, mit allem, was er an Gutem und Schlechtem hat und mit sich bringt.
Im Quartär, dem geologischen Zeitalter, das vom Wechsel kalter Perioden und Perioden mit gemäßigtem Klima gekennzeichnet ist, haben die damaligen Gletscher des Piave und der Brenta große Mengen an Geschiebefracht aus den Alpentälern in die Ebene von Treviso transportiert und als Schwemmfächer abgelegt. Am Ende der letzten Eiszeit vor ca. 17.000 Jahren bildete sich eine dicke Sedimentschicht: Geröll und Kies blieben an den Talausgängen liegen, feineres Material wie Sand, Ton und Lehm in der Nähe des Meers.
Seit Erscheinen des Menschen auf der Erde sind die Flüsse Lebensadern gewesen, die die Geburt, die Ansiedlung und die Zivilisationsbewegung ermöglicht haben. Auf dem Fluss ist das erste vom Menschen geschaffene Transportmittel entstanden, der Einbaum, der den Beginn der Schifffahrt, den Handel und das Kennenlernen anderer Kulturen ermöglicht hat. Der Fluss Sile, dessen Kulturgeschichte Jahrtausende umfaßt, steht als Symbol für die Entstehung der Zivilisation und der Kultur Venetiens.
Die großartige Kultur, die sich an den Ufern des Sile entwickelt hat, beginnt am Ende der Kupferzeit und umfasst die Bronze- und die Eisenzeit. In einer damals im Vergleich zu heute veränderten Umgebung, die aus einem großen Fluss und Lagunen und von riesigen Eichen bedeckten kleinen Inseln bestand, erblühte die Kultur der Pfahlbauten, von der man während der Ausgrabungen beim Kiesabbau beachtliche Spuren fand.
Trotz der Gegenwart des Menschen hat das Parkgebiet noch ein beträchtliches Maß an Natürlichkeit bewahrt; dies dank der vorhandenen hydrophilen Wälder und der verbreiteten Karstquellen entlang des Flusslaufes des Sile. Bedeutenden Wert erlangen auch die großen Wasserbecken, die in den 50er Jahren durch Ausgrabungen des Flußbettes geschaffen wurden. Unter diesen werden die beiden Wasserbecken Lago Inferiore und Lago Superiore in Quinto di Treviso und die an der Grenze zu den Gemeinden Treviso, Silea und Casier gelegenen Becken genannt.
Überall in dieser Gegend kann man das ganze Jahr über viel Interessantes beobachten. Die beste Zeit dazu sind die Frühjahrs- und Sommermonate, wenn die Vegetation den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht hat. Aber auch im Winter sind bedeutende Vogelarten zu sehen, die aus Nordeuropa migrieren und in diesen Teilen des Parks haltmachen.